Da liege ich also genüsslich im Liegestuhl auf meiner relativ grossen Dachterrasse in Vercorin mit grossartiger Aussicht auf die Umgebung. Über mir wieder einmal eine Drohne. Ich hasse die Dinger und habe mir schon überlegt, ob ich nicht bei einem Bekannten auf der US Air Base in Ramstein einige Boden-Luftraketen bestellen soll. Egal.
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Unabhängig von diesem Flugkörper über meinem Kopf – mit seinem «Sssssssssssss» stört er die Ruhe – erhalte ich einige Tage später einen Anruf. «Unbekannter Anrufer» ist auf dem Display zu lesen, weshalb ich mich nicht mit Namen, sondern nur mit einem «Wer stört?» melde. Am anderen Ende erklärt mir ein Anrufer, dass er «aus der Umgebung von München» anruft, und wir beide uns nicht kennen würden. Stimmt: So fängt jede gute Story an. Er fragt, ob ich «Thomas Bornhauser» sei, die Frage wird mit «Ja, bin ich – und wer, bitte schön, sind Sie?» beantwortet. Das sei im Moment unwesentlich, meint er. Ich will wissen, wie er meine Handy-Nummer herausgefunden hat. Auch das bleibt im Dunkeln, ebenso der Umstand, dass er weiss, dass ich Besitzer der Wohnung samt Dachterrasse (oder umgekehrt?) bin. Ich staune.
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Er komme, wie er bereits verriet, «aus der Umgebung von München» und sei auf der Suche nach einer Ferienwohnung im Wallis, «aber nicht in mondänen Orten wie Crans-Montana, Saas Fee, Zermatt oder Verbier», sondern in einem eher unbekannten Ferienort, wo die Wohnungen oder Chalets noch «bezahlbar» seien, weshalb er in den vergangenen Wochen einige dieser Dörfer mit einer Drohne überflogen habe, im Val d’Anniviers Grimentz, St. Luc und – genau! – Vercorin. Da sei ihm «diese Terrasse» aufgefallen, weshalb er sich näher damit beschäftigt und einiges herausgefunden habe. Das wiederum ist insofern interessant, als dass ich auf keiner sozialen Plattform bin. Ich will wissen, wie denn? Er überhört meine Frage, will vielmehr wissen, ob die Terrassenwohnung «käuflich zu erwerben» sei. (Sehen Sie, liebe Lesende, das ist der feine sprachliche Unterscheid der Deutschen zu uns, wir Schweizer hätten bloss gefragt, ob die Wohnung zu kaufen sei.) Ich verneine. Er wiederholt seine Frage, ich meine Antwort, «Nein, ich verkaufe die Wohnung nicht.» Er fragt zum dritten Mal, will sicher sein, dass ich ihn korrekt verstanden habe. In diesem Moment verlasse ich den Liegestuhl und gehe einige Schritte zum Geländer, um meine Meinung auch optisch – was für eine Aussicht! – zu rechtfertigen. «Hören Sie, welchen Teil des Satzes ‹Die Wohnung steht nicht zum Verkauf› haben Sie nicht verstanden?»
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«Ich habe die Drohne so gesteuert, dass sie mir die Aussicht zeigte.» – «Schön für Sie und Ihre Drohne, aber wir können unser Gespräch beenden.» Logisch, jetzt schaltet er gleich zwei Gänge höher in den Overdrive: «Hören Sie, Herr Bornhauser, Sie bestimmen den Preis. Ich werde ihn akzeptieren.» Jetzt kann ich nicht anders, als laut zu lachen. «Mein lieber Herr aus der Umgebung von München, goar nix ist da drin.» Das mag er anscheinend nicht hören und verlässt sogar den roten Bereich des Drehzahlmessers. «Hören Sie, wir können uns beim Verkaufspreis auch über einen offiziellen und einen inoffiziellen Teil der Zahlungsmodalitäten einigen, wenn Sie wissen, was ich damit meine.» Für mich alles klar: «Damit keine Missverständnisse entstehen: Sie wollen mir einen Teil der Summe quasi unter dem Tisch bezahlen, cash, am Fiskus vorbei?» – «Ganz genau, Herr Bornhauser, werden wir uns also einig?»
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Dem Mann klebt das Pech an diesem Tag förmlich an den Schuhen. «Sie haben ja einiges herausgefunden, worüber ich staune. Wie auch immer: Wissen Sie auch, dass ich Kriminalromane schreibe?» – «Nein, das wusste ich nicht. Das tönt ja spannend!» – «Ist es auch. Im Moment recherchiere ich nämlich zu Geldwäsche, zu Falsch- und zu Fluchtgeld, habe viel darüber gelernt. Was sagen Sie jetzt dazu?»
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Seine Antwort habe ich nicht wirklich verstanden, es ging in einem gefluchten Gemurmel unter. Einige Sekunden später war nur noch ich in der Leitung. Und nein, ich konnte den Anruf nicht zurückverfolgen. Schade.