Lara ist in Riggisberg aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach der Trennung ihrer Eltern teilten sich diese die Betreuungsaufgaben. «Ich hatte ein gutes Umfeld. Es hat mir an nichts gefehlt», schaut sie zurück. Ihr Wunschberuf war Tiermedizinische Praxisassistentin. «Aber es war ultraschwierig, eine Lehrstelle zu finden. So brauchte ich einen Plan B», schmunzelt die 22-Jährige. Nach dem Schnuppern war klar: «Carosserielackiererin überzeugte mich am meisten.» Dass bei der Firma Bartlome AG eine Lehrstelle frei war, war ein Glücksfall: «Ich hatte nur Gutes von ihnen gehört.»
Wie behauptet man sich als Frau in einem von Männern dominierten Berufsumfeld? «In der Region Bern ist das nicht nötig», erklärt Lara. «In der Berufsschule waren wir halb-halb. Bezogen auf die Leistung lagen die Frauen aber vorne. Sie bringen mehr Motivation mit. Jungs überlegen sich eher, ob sich der Aufwand lohnt.» Dass sie am jetzigen Arbeitsplatz, ihrem früheren Lehrbetrieb, die einzige Frau ist, ist kein Problem: «Ich fühle mich hier sehr wohl.»
… feines Händchen und Geduld – Lara, welche Arbeit machst du am liebsten?
Wir bekommen die zu spritzenden Teile demontiert und ausgebeult. Ich liebe die anschliessenden Feinarbeiten: ausspachteln, kleine Unebenheiten füllen, Farbe, Lack, Politur… Das Schöne daran ist, dass man ein Resultat sieht.
Gibt’s etwas, was du weniger gern machst?
Eindeutig «röschtele», also Rost entfernen. Das machen normalerweise die Spengler, aber oft muss ein Detail mit Feinarbeit und Ausdauer bearbeitet werden. Das gehört halt dazu. Es gibt eigentlich nichts, was ich ganz und gar nicht gern mache.
Dominik Bartlome ist Vizeweltmeister der WorldSkills Competition 2022, die Bartlome-«Stifte» Christian Zbinden und Jan Bachofner legten die beste Lehrabschlussprüfung hin…
Wir haben hier ein cooles Umfeld und grosse Unterstützung. Die Firma nimmt sich Zeit für die Lernenden. Aber auch die persönliche Einstellung ist wichtig. Ich finde einen gewissen Druck positiv und habe gelernt, unter Anspannung und Stress zu «funktionieren». Stimmt: Ich habe hier gute Vorbilder.
Wie fühlst du dich als Schweizermeisterin deiner Berufssparte?
Es war cool, als eine von 12 aus meiner Sparte in Bern dabei zu sein. Ich fand die Einblicke in andere Berufsgattungen spannend. Vorbereitet hatte ich mich vor allem bei der alltäglichen Arbeit; ich versuchte, alles möglichst perfekt und trotzdem rasch zu machen. Und dann sagte ich mir: «Göh mer mau ga luege.» Als ich dann auf dem Podest stand, empfand ich Überraschung und eine grosse Freude.
Und die WorldSkills?
Ich freue mich, dass ich die Schweiz an den Weltmeisterschaften vertreten darf. Meine Motivation ist hoch und ich will vor Ort das Beste geben. Natürlich ist das auch tagesformab-hängig und es gehört oft auch ein bisschen Glück dazu. Das Wichtigste aber ist: Lackieren ist in meinem Herzen, ein Teil von mir.
Was, wenn du (nicht) Weltmeisterin wirst?
Ich nehm es so, wie’s kommt. Es ist ja schon krass, dass ich überhaupt hingehen kann.
Wie sieht dein Traumauto aus?
Nach meinem Sieg bei den Swiss Skills erhielt ich vom Arbeitgeber und von Sponsoren einen tollen Skoda Octavia zum Brauchen. Aber ich hab’s eher mit den alten Autos. Persönlich besitze ich einen Golf 1. Dieses kleine «Chrutzli» passt zu mir. Wenn möglich, würde ich gerne mit einem Camper die Welt bereisen. Ob mit ihrem Uralt-Golf oder an den WorldSkills im September: Lara Kaufmann ist gut unterwegs. Das bestätigt auch Fritz «Frude» Bartlome: «Lara ist äus-serst motiviert, ihr Bestes zu geben. Bei uns in der Firma ist es Tradition, dass wir unser Wissen teilen. Das motiviert – die anderen, wie auch sich selbst.»
Das gilt auch für den Chef: Er schaffte es als junger Berufsmann ebenfalls aufs Podest und betrachtet es als wichtig und wertvoll, «zu den Lernenden zu schauen.» Und noch etwas ist ihm wichtig: «Interessierte junge Menschen sollten sich auf jeden Fall für eine Schnupperstelle bewerben. Bei uns braucht’s kein langes Motivationsschreiben. Ein Anruf genügt.»
Dass in der Vergangenheit nicht nur Lernende, sondern auch die Firma selber als bester Ausbildungsbetrieb ausgezeichnet wurden, macht klar: Die Musik spielt (auch) in Rüschegg Graben. Vielleicht erklingt die Schweizer Nationalhymne schon bald in Lyon?