Sommernachtsträume auf hohem Niveau

Sommernachtsträume auf hohem Niveau

Mitten im Naturpark Gantrisch liegt ein Idyll der besonderen Art: das Freiluftbad Eywald. Wo meist lautes Kindergeschrei die Luft erfüllt, ertönen aktuell auch leisere Klänge. Die Konzerte der Meisterkurse sind öffentlich.

Steil führt das Strässchen bergan. Links und rechts zweigen Waldwege ins schier endlose Grün ab. Nach gefühlt 1001 Kurven tut sich der Blick auf Richtung Voralpen. In der lieblichen Hügellandschaft rund um Rü-schegg-Heubach perfektionieren Studierende der Hochschule für Künste Bern von Mitte Juni bis Mitte August ihr musikalisches Können.

Aus der Not entstanden
«Ich bekam die Möglichkeit, eine Sommerakademie in Italien zu besuchen», erklärt Linda Türler. Die heute 21-Jährige hätte sich damals eine Wiederholung gewünscht. «Leider machte uns Corona einen Strich durch die Rechnung.» Lange Sommerferien ohne Schulungssequenzen in einer neuen Umgebung? Fast schien es so. Bis der Musikdozent Paweł Mazurkiewicz auf Anfrage hin eine Alternative vor den Toren Berns initiierte.

Das Sommermusikfestival Eywald findet bereits zum dritten Mal statt, wie gewohnt mit diversen Einzelkonzerten und einem Abschlusskonzert (s. Kasten). «Das Interesse für die Meisterklassen steigt kontinuierlich», freut sich Mazurkiewicz, der selber eine reiche Konzerttätigkeit vorweisen kann. Bei den Konzerten gebe es aber noch Luft nach oben. «Das Sommermusikfestival mit fast einem Dutzend Konzerten verdient grössere Beachtung», ist er überzeugt. Umso mehr, als der Eintritt frei ist und die Unkosten mit einer Kollekte beglichen werden.
Vom Hörsaal in die Natur
Fabienne Mittaz und Linda Türler könnten unterschiedlicher nicht sein. Was sie vereint, ist die Freude an der Musik. «Lebten wir in einer idealen Welt, wäre die Kunst nicht nötig», soll der begnadete Pianist Glenn Gould einmal gesagt haben. «Wir können die Welt mit unserer Musik nicht idealer machen», meint Fabienne Mittaz nachdenklich. «Aber ich kann mit meinem Spiel etwas ausdrücken und im Unterricht Werte an junge Menschen weitergeben, die wiederum ihr Beziehungsnetz nutzen können.» Mit ihrem Masterabschluss wird sie ab August an der Musikschule Muri-Gümligen unterrichten. Klavier spielt die 27-jährige, seit sie acht Jahre alt ist. «Ich fühlte schon sehr früh eine Art Berufung», schaut sie zurück. Auch wenn sie ihren Lebensunterhalt mit Musik und Musikvermittlung bestreiten will, ist Musik für sie etwas Höheres: «Raum, um Klängen nachzuspüren, verfeinerte Techniken zu suchen.» Und was schätzt sie an den Meisterkursen? «Man profitiert extrem in sehr kurzer Zeit», ist sie überzeugt.

Auch Linda Türler fand mit acht Jahren zum Klavier. Die 21-jährige Musikstudentin ist bereit, einiges für ihre Ziele zu opfern. «Man hat hohe Ansprüche an sich selbst. Egal, wie talentiert man ist, man muss es machen.» Will heissen: üben, täglich, mindestens vier Stunden. «Wenn man nicht übt, kommt man nicht weiter.» Sie freut sich aber auch auf das Wiedersehen mit Freunden in den USA, drei Wochen ohne üben. Und wenn sie doch mal Lust darauf verspüren sollte? «Dann suche ich über Google die nächste Musikhandlung und setze mich dort an ein Klavier», sagt sie lachend. Weil damit auch Publicity für die Geschäfte verbunden ist, ging so schon manche Türe auf.

Musik als Bindeglied
Dass heute schon siebenjährige (Musik-)Schüler Druck und Versagensängsten ausgesetzt sind, finden die beiden Musikschaffenden völlig daneben. «Kinder sollen doch Kinder sein können. Und 99-Jährige sollen ruhig noch etwas lernen dürfen, wenn sie wollen», sagen die beiden unisono. Beide erfuhren durch die Musik Bereicherung und auch Veränderung. Dem möchten sie in diesen Sommerferien erneut nachspüren.

«Ich arbeite an mir, um mich am Klavier weiterzuentwickeln. Gleichzeitig fördert mich die Musik, wird zum Bindeglied zu etwas Grösserem und Höherem», sagt Fabienne Mittaz. «Ich will etwas machen, was mich glücklich macht», bringt es Linda Türler auf den Punkt. Davon dürften auch ihre Töne zeugen, am diesjährigen Sommermusikfestival Eywald. Mit seinen Meisterkursen und Konzerten entwickelt sich dieses immer mehr zu einem Zentrum für Musik. Fernab der Hektik des üblichen Kulturbetriebs, und vielleicht gerade deshalb dem Wesentlichen, dem Unmittelbaren eine Sequenz näher.

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