Tagwache wird es weiterhin früh geben

Tagwache wird es weiterhin früh geben

Eichenbergers Gärtnerei auf der Süri hat für immer geschlossen. Sie haben keine Nachfolge gefunden und es gibt immer mehr Grossmärkte, die das Leben der Kleinen schwer machen. Ruth und Heinz Eichenberger freuen sich riesig auf den dritten Lebensabschnitt.

Stolz, aber auch wehmütig stehen Ruth und Heinz Eichenberger im leeren Treibhaus auf der Süri. Seit 1985 steht dieses grosse Glashaus, in dem sie Pflanzen und Schnittblumen gezogen haben. In letzter Zeit waren die beiden nun mit Räumarbeiten beschäftigt. Denn am 30. Juni haben Eichenbergers ihre Gärtnerei für immer geschlossen und sind in den Ruhestand getreten. Zu gross sei die Konkurrenz der Grossverteiler geworden. Und von Eichenbergers vier Kindern wollte keines den Betrieb weiterführen. Darum ist der Traditions-Gärtnereibetrieb jetzt Geschichte. Im Jahre 1945, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde die Geschäftstätigkeit von Kurt und Marta Eichenberger, den Eltern von Heinz Eichenberger, aufgenommen.
«Wir sind froh, erleichtert und fühlen uns entlastet», berichtet Ruth Eichenberger. Und ihr Mann fügt an: «Wir haben das jetzt 35 Jahre lang gemacht. Mit der Gärtnerei waren wir fest angebunden. Denn ein solcher Betrieb kann man nicht einfach dem Schicksal überlassen.» Die Pflanzen und Blumen brauchen täglich Pflege. Und aufgrund der Witterung muss das Treibhaus überwacht werden. «Bei einem drohenden Gewitter müssen die Lüftungsflügel geschlossen werden. Sonst kann es enorme Schäden geben», verdeutlicht Heinz Eichenberger. Glasscherben in der Erde, in der mit der Hand gearbeitet werde, gehe nicht.

Liebe zur Arbeit
Ruth und Heinz Eichenberger waren mit Leib und Seele Gärtner und liebten ihre Arbeit über alles. Die Arbeiten der Folgewoche seien sie gedanklich schon am Sonntagabend durchgegangen. Die Freude auf den kommenden Montag war immer da. «Das Produzieren, begonnen mit Säen, und das Miterleben, wie die Pflanze wächst, gaben Freude und Befriedigung. Aber auch den Kundenkontakt haben
wir geliebt», schwärmt der ausgebildete Gartenbau-Ingenieur. Weniger geliebt habe er die Buchhaltung. «Der Aufwand an Büroarbeiten, besonders seit der Einführung der Mehrwertsteuer, wurde immer grösser», verdeutlicht Eichenberger.

Kundentreue hat abgenommen
In den 1990er-Jahren erlebte die Gärtnerei ihre Blütezeit. Es wurden mehrere Mitarbeitende beschäftigt und Lernende ausgebildet. Eichenbergers machten Events wie Ausstellungen und Wohlfühl-Nachmittage. In Neuenegg eröffneten sie einen Verkaufsladen. Das Angebot an Einkaufszentren war kleiner. Das änderte sich aber Anfang dieses Jahrhunderts. Nach und nach entstanden Grossmärkte. Die Leute passten sich diesen an. «Früher kamen sie an unsere Ausstellungen und kauften auch. Später kamen sie nur noch zum Staunen. Kundentreue gibts nur noch vereinzelt. Heute wird, egal wo, gleich gekauft, was gefällt», illustrieren Eichenbergers. Sie sind froh, dass sich ihre vier erwachsenen Kinder beruflich anders orientierten.

Kaum Ferien
Viel Freude machte dem Gärtnermeister die Abwechslung als Marktfahrer nach Bern. Dort hat er sich über Jahrzehnte eine treue Stammkundschaft aufgebaut. Und es gab immer wieder freundschaftliche Bekanntschaften. Beeindruckend ist, dass Heinz Eichenberger während seiner 35-jährigen Geschäftstätigkeit rund 3000 Mal an seinen Marktstand an der Schauplatzgasse gefahren ist.

Ferien kannten die Gärtnersleute nicht. Sie gönnten sich höchstens zwei bis drei freie Tage. Darum freuen sie sich nun riesig auf die einwöchige Rhoneschifffahrt im August. «Wir können erstmals weg, ohne ein Geschäft im Hintergrund zu haben», so Heinz Eichenberger. Auch sonst haben der 68-Jährige und die 62-Jährige viel vor. «Wir haben vier Enkelkinder. Dann wollen wir vermehrt Kontakte pflegen und Freundschaften aufbauen. Das wurde bis jetzt vernachlässigt. Zudem gibt es mit der Umgebung und dem Gemüsegarten immer Arbeit», so stellen sich Eichenbergers ihre Zukunft vor. Wichtig ist ihnen, dass die Alltagsstruktur beibehalten wird. Das heisst also, dass es für die in den Ruhestand Tretenden weiterhin frühmorgens Tagwache geben wird.

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