«Vergänglicher Körper – ewiges Herz»

«Vergänglicher Körper – ewiges Herz»

Vom Studenten zum Zimmermann, Landi Mitarbeiter, Velokurier, Reisenden, Seminarleiter, Familienmenschen und Pfarrer. Mit dem Wunsch, ein authentisches Leben zu führen und andere auf dem Weg dorthin zu begleiten, machte sich Jochen Matthäus als junger Mann auf die Suche nach Antworten. Dabei machte er vielfältige Erfahrungen, die ihn bis heute prägen.

Der Vater von vier Kindern erinnert sich zurück an seine Jugendjahre. Seine Umwelt beobachtend erlebte er die Menschen im Umgang miteinander als befremdend. «Auf mich wirkten die Erwachsenen unglücklich. Ich wollte herausfinden, warum das so ist.» Angetrieben von der Sinnfrage entdeckte Jochen Matthäus unterschiedliche Weltanschauungen und Religionen. Besonders die direkte und ehrliche Art von Jesus Christus faszinierte den jungen Mann. Er lernte lateinisch und begann Theologie zu studieren. Doch die Annäherung zur Kirche fiel ihm schwer, konnte er sich mit den aus seiner Sicht veralteten Formen und Auslegungen nicht identifizieren. Der Tod eines nahestehenden Freundes löste in ihm eine Sinnkrise aus. «Ich merkte, dass ich selbst auf dem besten Weg war einer dieser komischen und unglücklichen Erwachsenen zu werden, die aufgrund ihrer Biografie den Zugang zu ihrem Herzen verloren haben», erklärt der heute 55-Jährige mit einem leichten Schmunzeln.

 

Zurück zum Herzen

Nach zwei Jahren brach Matthäus das Studium ab und machte die Ausbildung zum Zimmermann. Die praktische Arbeit gab ihm Bodenhaftigkeit, die Sinnfrage blieb. Sein Weg führte ihn durch verschiedene berufliche Stationen. Immer mit dem Wunsch, ein authentisches Leben zu führen und etwas für die Gemeinschaft zu leisten, investierte er viel Zeit in die Persönlichkeitsentwicklung. «Ich wollte zuerst in meiner Wohnung die Möbel wieder an die richtige Stelle rücken.» Diese Metapher verwendet Matthäus gerne, wenn er erklärt, wie er zu sich selbst gefunden hat. 

«Wir Menschen sind geprägt durch angstvolle und gewaltsame Erfahrungen, die wir im Verlaufe des Lebens machen. Doch wir sind nicht unsere Geschichte.  Das Fenster in unserer Wohnung kann erst wieder geöffnet werden, wenn wir den Schrank davor wieder an die richtige Stelle rücken. Einfach gesagt geht es darum, den Zugang zu unserem reinen Herzen wieder zu finden.»

 Der innere Hunger des «Ich»

Nachdem Matthäus das Theologiestudium wieder aufgenommen und abgeschlossen hatte, bereiste er mit seiner Frau Südamerika. Das Paar erlebte dort eine Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die es faszinierte. Ohne Misstrauen gegenüber dem Fremden hiessen die Einheimischen die Reisenden willkommen und teilten alles mit ihnen. «Mir wurde bewusst, dass Leistungsdruck und Wettbewerb eine weniger wichtige Rolle spielen als in der westlichen Welt. Es scheint, die Menschen haben mehr Zeit füreinander, weil das «Ich» weniger wichtig ist als das «Wir». Der Familienvater vermutet, dass diese Menschen in einer Atmosphäre von Wärme aufwachsen konnten und als Erwachsene sich selbst gernhaben, und erklärt: «In der westlichen Welt führen Wettbewerb und Leistungsdruck oft zu einer Selbstverneinung: Nie bin ich gut genug. Macht und Reichtum sind dann nur ein schlechter Ersatz für das verlorene Selbstwertgefühl und das «ich» wird dabei nie satt. Dadurch haben die Menschen ihren Zugang zum Herzen verloren.»

Vom «ich» zum «wir»

Immer wieder spricht Matthäus von gelebter Nächstenliebe. Doch was steckt eigentlich hinter diesem religiös behafteten Begriff und warum löst er bei vielen eine Abwehrhaltung aus? «Nächstenliebe ist im Grunde nichts anderes als Mitgefühl. Dieses kann gelebt werden unabhängig von Herkunft und Konfession.» In diesem Sinne ist Matthäus überzeugt: «Jeder Mensch ist auf eine gewisse Art religiös oder spirituell veranlagt.» Für den Pfarrer ist es eine Herzensangelegenheit, Menschen mit Mitgefühl zu begleiten, ohne festgefahrenes Ziel und dort, wo sie es nötig haben. Dabei erlebt auch er in seinem Alltag Nächstenliebe. «Es gibt mir Hoffnung, dass es immer wieder Menschen gibt, die bereit sind, etwas für die Gemeinschaft zu tun ohne Gegenleistung.» Dies kann das Vorstandsmitglied des Vereins «Offenes Scherli» besonders bei der Flüchtlingsarbeit beobachten und stellt fest: «Obwohl viele Angst vor dem Fremden haben, schaffen sie es gleichzeitig, Mitgefühl zu entwickeln und zu helfen. Auch wenn die Formen zum Teil etwas veraltet sind, darf die Kirche ein Teil unserer Gesellschaft sein. Nicht im Sinne von missionieren, sondern als Brückenbauerin und Stärkung des Wir-Gefühls. Dabei stehen Vorurteile nur im Weg. Viel wichtiger ist doch, dass wir es schaffen, unsere Angst und die Gewalterfahrung, die wir in unserem Leben gemacht haben, loszulassen und den Zugang zu unserem reinen Herzen wieder zu finden. Dies sollte der nächste Schritt unserer Gesellschaft sein.»

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