Das Team ist aufgeregt und flüstert sich, im Kreise stehend, ermutigende Worte zu. Die Kameras blitzen, der Raum ist voller nervöser Erwartungen. Und dann endlich, das Schweizer Nationalteam wird aufgerufen: Sie haben es geschafft und einer der drei ersten Plätze an der Weltspitze ist ihnen gewiss. Eine Welle der Freude bewegt sich durch das Schweizer Team wie ein erlösender Schwall: So viel hartes Training, so viele investierte Stunden und so viele emotionale Momente liegen hinter den jungen Frauen, die nun hier im Rampenlicht auf der Bühne in Orlando stehen. Als dann die Stimme aus dem Lautsprecher beim zweiten Rang das Schweizer Cheerleading Nationalteam aufruft, gibt es kein Halten mehr: Freudentränen fliessen, es wird sich umarmt und gefeiert. Die Anspannung der vergangenen Wochen, wenn nicht gar Monate, fällt ab und versickert im Jubel des wohlverdienten Erfolgs. Die stolzen Frauen bringen zum ersten Mal seit Beginn der Weltmeisterschaften eine Medaille für die Schweiz mit nach Hause.
Der Traum von mehr Sichtbarkeit geht in Erfüllung
Wie oft hat sich Bigler gewünscht, dass dem Cheerleading jene Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht wird, welche diese enorm herausfordernde und intensive Sportart eigentlich verdient. Heute ist Cheerleading eine eigene Sportart, mit Wettkämpfen und einem Nationalteam und nicht mehr nur zum Anfeuern eines Fussball- oder Hockeyteams gedacht. Das Auswahlverfahren ist hart, wenn man sich für die höheren Niveaus bewerben will. Das sportliche Mitglied der Nationalmannschaft investiert pro Woche im Minimum zwei Trainings für ihr Berner Team TVL Cheerleading, zwei bis drei Trainings für ihre Kerngruppe, plus ein Trainingswochenende pro Monat. Dabei ist es der Könizerin wichtig, den Ausgleich bei Familie und Freunden zu finden, meint die hochmotivierte ehemalige Kunstturnerin, welche nach einer Teamsportart gesucht hatte.
Von Groupstunts, Bereitschaft und Motivation
Der Kern im Cheerleading besteht aus vier Personen, dem sogenannten «Groupstunt». Eine Sportlerin fungiert als Flyer, welche Figuren in der Luft zeigt. Zwei Athletinnen bilden die «Base». Diese heben und werfen die Flyerin. Die vierte Person, «Back», ist dafür zuständig, die Flyerin am Fussgelenk zu stützen. Das Nationalteam besteht dann jeweils aus acht solcher Groupstunts und zeigt bahnbrechende Choreografien, bei welchen sich alle Beteiligten mit ihrer ganzen Energie und vollem Engagement einbringen.
Es ist eine enorme Körperspannung, Kraft, Dehnbarkeit, Ausdauer, aber auch eine grosse mentale Stärke und Konzentrationsfähigkeit erforderlich. Die Bereitschaft, sich für das Team vollkommen einzubringen, schafft erst jenes Vertrauen, welches für diese Teamsportart so unverzichtbar ist. Gerade dies sei für die seit 2017 aktive Flyerin so spannend. Nicht nur selbst als Cheerleaderin, sondern auch als Coach für den Nachwuchs aktiv gibt sie diese Eigenschaften an ihre Schützlinge weiter. Durch achtsame Trainings soll nicht nur die Verletzungsgefahr reduziert, sondern auch die Motivation und die Begeisterung der Jüngsten gefördert werden. Cheerleading ist für Jungs wie Mädchen, egal welchen Alters, eine wertvolle Sportart, betont die angehende Studentin.
Die richtige Einstellung macht den Unterschied
Will man an der Spitze der Welt stehen, muss man sich auch als Champion fühlen. Das Schweizer Nationalteam habe sich für die ICU World Championships in den USA nicht nur sportlich, sondern auch mental auf diesen Event vorbereitet. Die zierlich wirkende Frau strahlt eine grosse Kraft aus, wenn sie begeistert vom Cheerleading erzählt. Vanessa Bigler und ihr Team haben in der Zeit vor dem Wettkampf so gelebt, als wären sie bereits am Ziel: Ob beim Essen, beim Achten auf genügend Schlaf oder beim achtsamen und trotzdem intensiven Training – somit reiste das motivierte Team bestens vorbereitet zur Trainingswoche an. Das Funkeln der Silbermedaille bestätigt, dass sich der viele Schweiss und das Herzblut dieser jungen Athletinnen gelohnt haben.