Heute geht es zwar um das Erlebnis in einem Landgasthof im Bärnbiet, es steht aber in keinem Zusammenhang mit der Pandemie, sieht man einmal grosszügig darüber hinweg, dass das Personal die Gesichtsmasken grösstenteils dezent als adretten Kinnschutz benutzt. Hensusode, keine Panik, ich bin 2G.
Die Beiz ist gut besucht, auf dem Parkplatz stehen Autos aus mehreren Kantonen. Als ich meinen Platz zugewiesen bekomme, ist der Nebentisch noch frei, was sich jedoch Minuten später ändert, als ein Ehepaar Platz nimmt, das ich einmal als bodenständig bezeichnen möchte, ganz offensichtlich aus der Umgebung, weil bereits anwesende Gäste zum Teil gegrüsst werden. Passt mir, weil eigentlich auch ein Landei. Herr und Frau Berner (der Familienname ist frei erfunden) bekommen die Speisekarte überreicht. Diese überzeugt mit Qualität statt Quantität.
Als der Servicemitarbeitende die Bestellung aufnehmen will, wird der Wunsch nach «Läberli und Röschti» geäussert. Zu dumm, dass das Gericht heute nicht auf der Karte steht, was Herrn Berner mit entschuldigenden Worten mitgeteilt wird. Ob er sich etwas aussuchen könne, was an diesem Abend in der Küche zubereitet wird? Er bekommt dieses und jenes empfohlen. Nein, er besteht auf Läberli und Röschti, auf etwas anderes könne er verzichten, sei nicht deswegen hergekommen. Was der Mitarbeitende auch versucht, hoffnungslos. Herr Berner möchte den Wirt sprechen. Eine eher verzwickte Situation, finden Sie nicht auch? Was itze?
An einem anderen Tisch: Dort möchte ein Gast an einem Vierertisch einen ganz bestimmten Wein, «den wir schon letztes Jahr getrunken haben». Nur verhält es sich bei diesem edlen Tropfen wie bei den Läberli und der Röschti: Ist nicht bloss heute nicht auf der (umfangreichen) Weinkarte, sondern inzwischen überhaupt nicht mehr im Keller. Dem Gast werden von der Serviererin, ganz offensichtlich total auf der Höhe ihrer Aufgabe, mehrere ähnliche Weine vorgeschlagen, alle aus der gleichen Gegend. Passen nicht, der Gast besteht auf den bestimmten Tropfen. Auch er möchte den Beizer sprechen, der sich aber nicht zweiteilen kann, weil bereits am Tisch von Herrn und Frau Berner engagiert.
«Turi, die Röschti ist nicht das Problem, die Läberli sind es, wir haben sie nicht vorgesehen – und die Küche ist im Moment eh am Anschlag.» – «Dann gehen wir halt wieder, etwas anderes als Läberli und Röschti kommt nicht in Frage.» Die Diskussion zieht sich in die Länge, mit Argumenten und Gegenargumenten, in die sich Frau Berner nicht einmischen mag. Immerhin: Einige Gäste, die nahe dem Tisch sitzen, amüsieren sich köstlich. Me too.
Aber eben – da ist ja noch jener Gast, der auf einen ganz bestimmten Rotwein fixiert ist. Und zu jenem wird der Beizer gerufen, weil schon einige Minuten seit dem Gespräch mit der Serviererin vergangen sind. Er entschuldigt sich deshalb bei Herrn und Frau Läberli – ehhh, Herrn und Frau Berner – und will sehen, «was ich für euch tun kann.» Frau Berner meldet sich danach erstmals zu Wort, würde sich der Einfachheit halber ihrem Gatten anschliessen. Isch doch o scho mau öppis. Weil der Wirt bereits weiss, worum es beim nächsten Gespräch gehen wird, lässt er sich von einem Mitarbeiter vier Flaschen Rotwein aus dem Weinkeller zum Tisch bringen. Als Alternativen zum eigentlichen Wunsch des Gastes. Und offenbar fruchten seine Bemühungen: Der ersten Flasche folgt wenig später nämlich eine zweite. Prost. Sorry, Santé, ist ein Franzose.
Fragen Sie mich nicht, wie der Wirt es geschafft hat, dass Herr und Frau Berner doch noch Röschti und Läberli serviert erhalten. Nur eines ist mir klar: Ich weiss schon, weshalb ich nicht Gastronom geworden bin, ich hätte die Nerven nicht dazu. Mein Lokal könnte ich kurz nach der Eröffnung wieder dichtmachen.
Und jetzt, liebe Lesende, wünsche ich Ihnen schöne Festtage und ein 2022, das uns mehr Freude als 2021 bereiten soll.