Gleich vorweg: Verwandt sind die beiden Schmids nicht. Sie verbindet einzig, dass sie Schauspieler sind und immer wieder im Berner «Theater Matte» auf der Bühne stehen. In Molières «Tartuffe» miteinander. Der Rüschegger Theo Schmid als Tartuffe, Adrian Schmid aus Schwarzenburg als Orgon, Hausherr und Beschützer von Tartuffe. Gewillt, dem Heilsversprechen alles zu unterwerfen und zu opfern, ihm sogar seine Tochter zur Frau zu geben. Die Tochter: das ist Mariane, dargestellt von der jungen Schauspielerin Sarah Luisa Iseli. Die Hinterkappelerin ist auch Musikerin und schreibt ihre eigenen Songs. Sie hat kürzlich sogar ihre erste Platte herausgebracht.
Bedenken wie vor 400 Jahren
Der französische Dramatiker Molière (1622-1673) verfasste in den 1660er Jahren mit «Tartuffe» nicht nur eine Komödie, sondern sorgte, zumindest mit den ersten beiden Versionen, für ziemlichen Wirbel – beinhalteten sie doch einiges an Kritik an den Autoritäten. Zum 400. Geburtstag des Autors bringt das Theater Matte das Werk auf die Bühne. Warum ist solch ein altes Stück heute noch interessant? «Tartuffe» bzw. die Version, die nach der damaligen Zensur überliefert wurde, ist so zeitlos wie die menschliche Einfalt: Es geht um Opportunismus, blindes Vertrauen, Scheinheiligkeit, Manipulation, um nur einige Beispiele zu nennen. Jede richtig gute Komödie hat einen ernsten Kern. In «Tartuffe» ist es das Dilemma mit der Lüge. Losgelöst von den damaligen Gegebenheiten trägt der Text die aktuellen Bedenken zum Zustand der Welt in sich und wird damit zum Klassiker. Molières Werke sind 400 Jahre nach ihrer Entstehung bissig und träf wie eh und je und, weil sie so unverhohlen menschliche Schwächen aufdecken, werden sie auch zeitlos bleiben.
Sarah Luisa Iseli fasziniert diese Aktualität im Stück: «Die Zuschauenden werden erkennen, dass hinter dem lustigen Text, der oft so dahin säuselt, eine messerscharfe Wahrheit steht. Gerade diese Art, sich die Welt vor die Füsse zu legen, Umwege zu suchen, die ohne Strapazen zum Ziel führen. Das geübte Um-den-Finger-Wickeln, eine Maske aufsetzen und einer Strategie folgen, die zum eigenen Profit führt, finde ich sehr aktuell. Die Frauenrollen im Stück sind spannend gezeichnet. Ich wünschte, sie wären alle so authentisch mutig und aufmüpfig wie Dorine (gespielt von Cornelia Grünig).»
Berndeutsche Übersetzung
Theo Schmid übersetzte das Stück ins Berndeutsche. «Ich liebe Molières Charakterfiguren. Der Mut, mit dem Molière seinen Zeitgenossen einen Spiegel vor Augen führte, ist beeindruckend. Ich freue mich, den berühmtesten Scheinheiligen der französischen Theaterliteratur auf Berndeutsch zu spielen.
Das Spannende an der Übersetzung war, das Alter der Sprache mitklingen zu lassen, ohne die Verständlichkeit zu schmälern. Den Figuren den alten Geist zu erhalten und ihnen dennoch einen neuen Esprit einzuverleiben. So weit weg, wie sich die deutschen Übersetzungen vom französischen Original entfernt haben, so nahe zum Original versuchte ich die berndeutsche Fassung wieder zu bringen. Da kommt einem die historische Verwandtschaft des Berndeutschen mit dem Französischen recht kommod. Ich hoffe, das Publikum kann den Witz und die Leidenschaft Molières genies-
sen und auch feststellen, dass die Heuchler und Heilspropheten auch heute nicht so weit weg von uns wohnen.»
Ernsthaftigkeit der Komödie
Adrian Schmid freut sich auf die Bühnenzeit mit seinen Kolleginnen und Kollegen. «Ich liebe es, Komödien zu spielen. Hier ist es vor allem wichtig, ernsthaft zu bleiben. Diese Ernsthaftigkeit fasziniert mich. Meine Bühnenfigur Orgon hat die Fähigkeit des Ausblendens perfektioniert. Seine Welt droht wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen und trotzdem gibt es niemanden, der ihn davon abbringen kann, Tartuffe blind zu vertrauen. Zudem freue ich mich, im wundervollen Bühnenbild von Andreas Stettler und unter der Regie von Richard Henschel spielen zu dürfen.»
Neben Theo Schmid, Adrian Schmid und Sarah Luisa Iseli stehen auch Marianne Tschirren, Annemarie Morgenegg, Miriam Jenni, Michael Schoch und Cornelia Grünig auf der Bühne. Wie in guten Komödien üblich, schafft es Molière, die Tragik des menschlichen Seins in anrührend absurder Weise zu überhöhen und uns durch Humor hinter den Schleier schauen zu lassen. Für Regie und Schauspiel bedeutet dies ein reichhaltiges Buffet an tiefgehenden Gedanken, slapstickhaften Begegnungen, schlagfertigen Figuren, Wortwitz und einer Prise Moral – alles Zutaten für einen gelungenen
Theaterabend.