Aus Rüschegg in die ganze Welt

Aus Rüschegg in die ganze Welt

Der international bekannte und einflussreiche Maler Franz Gertsch ist kurz vor Weihnachten verstorben. Er lebte und arbeitete in Rüschegg. Bald erscheint ein Film, der sein Leben und Wirken im alten Bauernhaus zeigt.

Die Nachricht vom Tod des Künstlers Franz Gertsch ging kurz vor Weihnachten um die Welt. Kein Wunder: Er gilt als Koryphäe des Fotorealismus. Einer, der ihn über die letzten drei Jahrzehnte eng begleitet hat, ist Arno Stein. Der Direktor des Museums Franz Gertsch in Burgdorf fuhr jeden Monat nach Rüschegg zu Franz und Maria Gertsch. Dort wohnten und wirkten sie in einem kleinen, umgebauten Bauernhaus. Die ehemalige Heubühne war sein Atelier, in dem er viele seiner grossen Werke schuf. Früher habe er ganze Tage dort verbracht, in den letzten Wochen habe die Kraft noch für etwa eine Stunde täglich gereicht, erzählt Stein. Am 22. Dezember starb er 92-jährig im Spital Riggisberg.

Sein eigener Weg 

Der 1930 geborene Maler sei nach einer längeren Zeit der Suche seinen eigenen Weg gegangen, erzählt Arno Stein. Bis er 39 war, probierte er Verschiedenes aus, arbeitete etwa mit Collagen, als Pop Art aufkam. Er habe aber immer gespürt, dass er mehr könne. Ab 1969 schliesslich widmete er sich der fotorealistischen Malerei im Grossformat. Dort konnte er die Wirklichkeit übertragen oder gar eine andere Wirklichkeit schaffen. So erschuf er über 52 Jahre etwas, was einen bleibenden Eindruck in der Malerei hinterlässt. 

«Ein wesentlicher Teil seiner Kunst ist die Zeit, die er sich für die einzelnen Werke nahm», so der Museumsdirektor. Nicht nur für die Malerei, sondern auch für die zum Teil grossformatigen Holzschnitte, die ab den 80er-Jahren entstanden. Gerade damit machte er ein Gebiet wieder salonfähig, das in der Kunstwelt vergessen gegangen war. Perioden, während derer er nicht arbeiten konnte, seien für ihn eine Qual gewesen. «Das Malen war für ihn ein Lebenselixier.» 

Afghanistan und Rüschegg

Typisch für den Künstler Franz Gertsch ist die hohe Qualität der verwendeten Materialien. Am Anfang benutzte er ein gewöhnliches Leintuch, das seine Frau Maria ihm zusammennähte. Später bestellte er in New York die qualitativ hochwertige «Cotton no.10»-Leinwand. Er arbeitete ohne Grundierung, musste die Farbe mit Kraft hineinpressen. Auch darum nahmen die Bilder so viel Zeit in Anspruch. Eine der meistverwendeten Farben ist das Lapis Lazuli, das «Gold der Ägypter». Nur in zwei Minen weltweit wird es abgebaut; die wichtigste befindet sich in Afghanistan – seit 5000 Jahren. Schon die Ägypter bezogen ihre Farbpigmente von dort, einige tausend Jahre später gehörte auch Franz Gertsch zu den Verwendern des besonderen Blautons. 

Seine letzten Bilder, die erst in den vergangenen beiden Jahren entstanden, malte er mit «Rüschegger Pigmenten». Das kam so: Dr. Georg Kremer von einer bekannten gleichnamigen süddeutschen Farbmanufaktur, besuchte Franz Gertsch in Rüschegg. Auf dem Heimweg fuhr er an einem Acker entlang, auf dem ein Landwirt einen Aushub gemacht hatte. Kurzentschlossen hielt er an und schaufelte ein paar Handvoll Erde in einen Plastiksack. Daraus entstanden fein zermahlene braune Pigmente, die der Rüschegger Künstler als Überraschung geschenkt erhielt. Er benutzte sie für «Cima del Mar» und «Schwarzwasser», die es bisher erst als Holzschnitte gegeben hatte. Diese beiden Werke werden voraussichtlich ab diesem Herbst im Franz Gertsch Museum in Burgdorf zu sehen sein.

Museum in Burgdorf

Das Museum wurde in den Jahren 2000 – 2002 erbaut. Der Burgdorfer Industrielle Willy Michel hatte es nach einem Besuch bei Franz Gertsch in Rüschegg initiiert. Er sagt über den Künstler: «Was mich immer fasziniert hat, ist die Perfektion und die Ausdauer, dass er ein Ziel hatte und darauf hinarbeitete.» 

Aktuell und noch bis Anfang März ist im Museum die Jubiläumsausstellung «Kaleidoskop – 20 Jahre Museum Franz Gertsch» zu sehen. Ab März dann kommt eine Attraktion zu den Werken hinzu: Ein Film über den Künstler, gedreht im intimen, persönlichen Rahmen in Rüschegg. «Man sieht im Film, wie die Künstlergemeinschaft Maria und Franz Gertsch an diesem idyllischen Ort lebte und mit welchem Aufwand die Kunst entstand», erzählt Stein, der das Filmprojekt ins Leben rief.

Der Museumsdirektor und Freund der Familie betont: «Man darf seine Position in der Weltkunst nicht unterschätzen. Er ist einer der bekanntesten Schweizer Gegenwartskünstler. Für mich ist es, wie wenn ich Pablo Picasso gekannt hätte.» Ein Künstler mit Weltruf, der seine Kraft wohl auch aus der Ruhe Rüscheggs schöpfen konnte. 

www.museum-franzgertsch.ch 

Ehrenbürger von Rüschegg

Noch kurz vor seinem Tode hatte ich die Gelegenheit, Franz Gertsch in seinem Atelier zu besuchen. Mit vollem Stolz und gewohnter Bescheidenheit, zeigte er mir sein neustes Bild. Ein Bild, welches er in den letzten sechs Wochen im «Rüschegger Braun» schuf. Alles, was weiss ist, ist Leinwand, der Rest Pinselstriche, eben mit dem «Rüschegger Braun», erklärte er mir. Seine Erzählung zur Entstehung von Bild und Farbe fesseln und faszinieren mich zugleich. Bei der Verabschiedung winkte er mir aus seinem Atelier zu. Es war mir nicht bewusst, dass es ein letztes Abschiedswinken war. Rüschegg verlor nicht nur seinen Ehrenbürger, sondern auch einen Kunstschaffenden, der den Namen unseres Dorfes Rüschegg mit seinen Werken weit in die Welt hinaustrug und dies auch weiterhin tun wird.

Markus Hirschi, Gemeindepräsident Rüschegg

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