Ordnung in das Chaos bringen

Ordnung in das Chaos bringen

Fred Flessenkämper veröffentlichte seinen zweiten Gedichtband. Nach der Frühpensionierung nimmt er sich bewusst Zeit, um Schönes im Chaos der Welt zu entdecken und Ordnung in seine Gedanken zu bringen.

«Ein Blick nach vorn, ein Blick zurück / im Hier und Heute, ein Leben im Glück!» So die Schlusszeilen des ersten Gedichts in «Den Tag vor dem Abend loben». Der zweite Gedichtband von Fred Flessenkämper widmet sich dem Menschen und seiner Welt, seinem Wesen sowie seinem Leben. Der handliche Band umfasst somit drei Teile mit mehreren, meist acht- bis zwölfzeiligen Gedichten. Unterteilt werden sie von Zeichnungen seines Sohnes, einem Grafiker. 

Wurzeln und Kraft

Der Laupener Autor ist seit einem halben Jahr frühpensioniert – er wurde von einem Rückenleiden dazu gezwungen. «Eigentlich bin ich meinem Rücken dankbar, dass er sagte, jetzt ist fertig, du solltest etwas ändern», schaut er zurück. Nach rund 30 Jahren in Führungsfunktionen, die längste Zeit davon beim Bund, sei er müde gewesen. 

Flessenkämpers Eltern wanderten in den 50er-Jahren aus Deutschland ein. «Sie waren traumatisierte Kriegskinder», weiss er. Und entwurzelt. Vermutlich sei ihm darum das Wurzelnschlagen immer wichtig gewesen. Die Kraft, die er im Elternhaus zu wenig spürte, versuchte er selbst aufzubringen. Der 1.92 m grosse Mann war in der Jugend Speerwerfer, später warf er sich in die Arbeit. «Wollte mehr als möglich war», heisst es etwa in «Wille» auf Seite 42, und kurz darauf: «Verstand erst mit den Jahren / schwindende Kräfte zu sparen / erreichte den rettenden Steg / gelassen sein ist nun mein Weg.»

Ordnen und Verdichten

So positiv konnte er den «Steg» anfänglich nicht betrachten. Pensioniert zu werden habe ihm das Gefühl gegeben, «wie ein Sandkorn auf der Düne» zu sein: bedeutungslos. Gleichzeitig habe er nun endlich nachholen können, was in den Jahrzehnten vorher zu kurz gekommen war: Kultur und Geschichte, Spaziergänge und Musik – sowie das Schreiben. Seine Gedichte und Aphorismen – die Sinnsprüche oder Lebensweisheiten – sieht er als ein «Ernten von Früchten am Wegrand». Anstatt sich an den Schreibtisch zu setzen und zu versuchen, selbst etwas zu erfinden, hält er sich bewusst offen für Einfälle. Diese verdichtet er dann, sucht die Essenz daraus. Was schlussendlich veröffentlicht wird, prüfen er und seine Frau Anita sorgfältig. Auch sie ist eine Schreibende – sie arbeitet aktuell an ihrem sechsten Laupener Krimi. Fred Flessenkämper sei schon immer ein Planer und Ordner gewesen. «Das Leben ist ein Chaos. Vielleicht hilft mir das Ordnen, damit umzugehen», sinniert er. Auch die Erde erscheine im weiten Universum zuerst als ein Planet unter vielen, als kleiner Teil eines Chaos. Doch wenn man realisiere, was für ein Wunder sie sei, würden selbst Wissenschaftler wie Astronauten ganz rührselig.

Früchte ernten

So ergeht es auch dem Dichter Flessenkämper. Er erkennt die Vergänglichkeit des Lebens, auch seines eigenen, dessen intensive Lebensmitte nun vorüber ist. Erst, indem er sich dieser Realität aussetzt, kann er die Schönheit der Welt, seiner Nächsten und seiner selbst erst richtig wahrnehmen und schätzen. Umso mehr, als er kürzlich seine Ausbildung zum Trauerredner abgeschlossen hat. «Eine Abschiedszeremonie macht man einerseits zu Ehren des verstorbenen Menschen, andererseits aber für die Angehörigen, zur Verarbeitung», sagt er. Trauer sei ein längerer Prozess, der oft nie ganz zum Abschluss kommt. «Der Verstorbene wird schrittweise in das eigene Leben integriert, in Form von Erinnerungen.» Auch hier also geht es ihm als Trauerredner darum, im Chaos eines Todesfalls das Wichtige und Schöne eines Lebens herauszufiltern und aufzuzeigen.

Langweilig sei es ihm nie, betont er. Kein Wunder, denn neben Alp-horn spielen, Gedichte schreiben und Trauerreden halten ist er in Ausbildung zum Berner Stadtführer. Voraussichtlich zweimal wöchentlich wird der in der Tiefenau aufgewachsene Laupener Interessierten die Hauptstadt näherbringen. Und dabei hier und da Einfälle «ernten». So rät er zum Abschluss, sich öfter mal Zeiten der Stille zu nehmen. Denn die Früchte, das Schöne, sehe man im Vorbeihetzen nicht. 

 

INFO:

www.alpen-horn.ch

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